G‘day und liebe Grüße aus dem ländlichen Victoria. Nach 7 Wochen Freiwilligenarbeit in Tasmanien ist unser nächster Aufenthaltsort überraschenderweise mal ein ganz gewöhnlicher (also bezahlter) Job. Und zwar ein richtiger Farm-Job. Wir arbeiten als „Livestock-Handler“ auf einer Dairy Farm in Australien (oder auf Deutsch: als Viehhalter in einem Milchviehbetrieb). 🐮
Wo wir hier überhaupt sind, wie wir den Job gefunden haben und was unsere Aufgaben sein werden berichten wir euch in diesem Beitrag. 🙂
Wie findet man so einen Farm-Job?
Tja, das ist eigentlich schnell gesagt. Wir sind schon seit Langem Mitglieder in einigen Facebook-Gruppen, in denen permanent Job-Angebote von überall aus Australien gepostet werden (z.B. bei „Australia Backpacker Jobs„).
Und kaum hatten wir den Gedanken gehabt, dass wir in nächster Zeit mal wieder einen Job gegen Bezahlung machen könnten, um unsere Reisekasse aufzustocken, lag unsere Aufmerksamkeit auf den Angeboten, die dort veröffentlicht wurden.
Wir haben zur Zeit das große Glück, dass Backpacker Arbeitskräfte überall im Land händeringend gesucht werden. Das hat damit zu tun, dass viele Backpacker mit dem Beginn von COVID-19 in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind und die internationalen Grenzen seitdem dicht sind, sodass keine neuen Backpacker mehr nach kommen können. Es gibt also einen Mangel an (billigen & flexiblen) Arbeitskräften und einen Überfluss an Ernte- und Farmarbeit.
Das geht sogar so weit, dass die australische Regierung Prämien an diejenigen bezahlt, die solche Farm-Jobs machen wollen. Doppelt gut für uns also, denn das bedeutet, wir können uns aus all den Jobangeboten die Rosinen raussuchen und bekommen von der Regierung sogar noch Zuschüsse dafür. 🙂
So hatten wir einige Punkte, die wir unbedingt bei unserem neuen Job erfüllt haben wollten.
Dazu zählen:
- keine Jobs, bei denen man Obst etc. pflückt (picking und packing Jobs)
- keine Kartoffel-Farm mehr
- keine Akkordarbeit bzw. Bezahlung nach Stückzahl o. Ä. (piece rate payment hat uns damals beim Weintraubenpflücken überhaupt nicht gefallen)
- eine kostenlose, warme Unterkunft mit WiFi (klingt erstmal dreist, ist aber auf auf vielen Farmen nicht unüblich)
- mindestens 25 Dollar pro Stunde Stundenlohn (also knapp 16 Euro brutto bzw. 13,50 Euro netto)
Die Facebook-Anzeige der Dairy Farm, auf der wir nun arbeiten, erfüllte alle diese Punkt und liegt zudem noch nicht allzu weit entfernt von unserer ursprünglichen Reise-Route entfernt (weiter Richtung New South Wales und Queensland).
Wir schrieben also der Frau per Facebook-Nachricht, dass wir interessiert seien. Sie antwortete relativ bald und schien auch sehr nett zu sein. Sie fragte uns nach Referenzen und wir gaben ihr einige Telefonnummern von den Leuten, bei denen wir vorher freiwillig gearbeitet hatten (wir hatten extra nachgefragt, ob Freiwilligenarbeits-Referenzen auch ok seien).
Einen Tag später war die Sache geritzt. Farmer Bob aus den Adelaide Hills muss wohl ein sehr gutes Wort für uns eingelegt haben, denn die Frau auf Facebook wollte uns unbedingt haben (Danke, Bob!). So klärten wir nur noch den Anreise-Tag und die Details für die Prämien der Regierung ab. 😀
Da wir uns zu der Zeit noch in Tasmanien aufhielten, wurde es kurz vor der Anreise nochmal ein bisschen spannend, denn mit COVID kann man nie genau wissen, wann es einem einen Strich durch die Rechnung macht.
Kurz vor unserer Anreise ins nördliche Victoria poppte plötzlich wieder ein Cluster mit COVID-Fällen in Melbourne (südliches Victoria) auf. Innerhalb eines Tages war das ganze Victoria im Lockdown und alle nationalen Grenzen aus Victoria heraus dicht. Zum Glück wollten wir nicht aus Victoria heraus, sondern nach Victoria rein.
Dafür mussten wir online ein Travel Permit (Reise-Genehmigung) für Victoria beantragen und bekamen außerdem ein „essential worker certificate“ von unserer neuen Arbeitsstelle ausgestellt. Unter der Bedingung, dass wir nach Ankunft mit der Fähre von Tasmanien nach Melbourne schnurstracks und ohne Stopp durch die Stadt und direkt in den ländlichen Teil von Victoria fahren würden, konnten wir zum Glück ohne weitere Probleme einreisen.



Der Betrieb – Eine große Dairy Farm in Australien
Die Dairy Farm, auf der wir arbeiten, ist ein Familienbetrieb, der im letzten Jahr allerdings stark gewachsen ist: Von ca. 1000 Milchkühe auf etwas mehr als 1700 Milchkühe! 🐄🐄🐄🐄🐄🐄🐄
Da mit so viel mehr Tieren auch eine ganze Menge mehr Arbeit entsteht, wächst auch die Anzahl der Angestellten des Betriebs seitdem kontinuierlich. Mittlerweile kümmert sich ein Team aus ca. 20 Mitarbeitern um die 1700 Milchkühe, alle ihre Kälbchen, das 12 Quadratkilometer große Grundstück und die ganze Farm-Maschinerie.
Die Milchkühe werden in einer rotierenden Molkerei (50 unit rotary dairy) zweimal am Tag gemolken und liefern pro Tag eine durchschnittliche Menge Milch von etwa 50.000 Litern. Wie ihr jetzt vielleicht schon merkt: die Dimensionen in Australien sind ganz anders als in Europa!
Wir werden später nochmal ausführlicher auf den Prozess des Melkens eingehen, denn es ist wirklich spannend zu sehen, wo die Mengen an Milch herkommen, die wir Menschen tagtäglich trinken & essen.
Trotz des wachsenden Teams und der „Industrialisierung“ der Prozesse, fühlt man sich als Angestellter des Betriebes herzlich aufgenommen. Die Frau, mit der wir über Facebook geschrieben haben, ist die Besitzerin der Farm. Zusammen mit ihrem Mann hat sie den Familienbetrieb seiner Eltern übernommen. Jetzt wohnt die ganze Familie (Frau, Mann, 2 Kinder und Großeltern) in einem Haus direkt neben der Dairy-Farm und unterstützt ihre Angestellten bei den Aufgaben.
Also, die Chefs und das ganze Team sind sehr nett und das Arbeitsklima ist wirklich toll. Das ist schon mal ein dicker Pluspunkt!
Unsere Unterkunft mitten im Nirgendwo + Polizeikontrolle
Auch unsere Unterkunft überrascht uns sehr positiv.
Die 12 Quadratkilometer Grundstück der Dairy-Farm Familie besteht aus mehreren, aufgekauften Nachbar-Grundstücken. Das bedeutet, sie besitzen viele, viele Felder und mehrere kleine Häuser.
Diese Häuser nutzt die Familie als Unterkünfte für ihre Angestellten. Denn so haben die Angestellten erstens eine kurze Anfahrt zur Arbeit und zweitens ist das ein Anreiz, überhaupt hier zu arbeiten, denn außer Feldern und Kühen gibt es nicht viel drumherum.
Es gibt hier kilometerlange, kerzengerade Straßen, auf denen es so gut wie keinen Gegenverkehr gibt. Der nächste Lebensmittel-Laden mit akzeptabler Auswahl liegt ca. 25 Minuten Autofahrt von unserem Haus entfernt und für einen Großeinkauf im Supermarkt müssen wir ca. 50 Minuten in die Stadt Bendigo fahren.
Kleine Side-Note am Rande: Bei unserem ersten Einkauf in Bendigo sind wir direkt in eine Polizei-Kontrolle geraten. Marcel musste in ein Alkohol-Röhrchen pusten und seinen Führerschein vorzeigen, der erst für etwas Verwirrung beim Polizei-Beamten gesorgt hat. Aber nachdem wir erklärt haben, dass wir Backpacker aus Deutschland sind, die hier auf einer Dairy-Farm arbeiten, hat er nur genickt und freundlich gelächelt. Das Auto war auf unseren Namen registriert und der Alkoholtest war negativ – wir durften weiterfahren! 😀
Zurück zur Unterkunft. Wir wohnen also zu zweit in einem kleinen Haus der Dairy-Farm Familie Irgendwo im Nirgendwo. Aber -und das war uns sehr wichtig- wir haben hier akzeptables WiFi.
Auch sonst lässt es sich hier gut aushalten: Das Haus hat drei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, Küche und Bad. Die Zimmer wurden vor nicht allzu langer Zeit renoviert und alles ist in gutem Zustand. Wir haben eine Waschmaschine, eine Spülmaschine, einen Kühlschrank mit Gefrierfach, einen Herd, einen Ofen, eine Mikrowelle, einen Wasserkocher mit leichtem Wackelkontakt, eine Espresso-Maschine mit Milchaufschäumer (!) und im Wohnzimmer gibt es eine moderne Klimaanlage, mit der wir es uns auch jetzt im Winter schön warm halten können. Das war uns, neben des WiFis, ebenfalls sehr wichtig, denn im australischen Winter kann es über Nacht bei 0 Grad Außentemperatur und schlecht gedämmten Häusern schon echt kalt werden.
In dem nachfolgenden Video hat Mona eine Haus-Tour durch unser neues Häuschen gefilmt. Das gibt euch hoffentlich nochmal einen besseren Eindruck. 🙂
Die Arbeitsbedingungen + Unsere Aufgaben
Von unserem Haus aus fahren wir 7 Minuten mit dem Auto bis zum Hauptteil der Farm. Hier steht das Farmhaus der Familie, die rotierende Melk-Plattform und die neue Scheune, in der bis zu 1000 Kühe Platz haben (die restlichen 700 Kühe sind auf den umliegenden Weiden untergebracht).
Sobald wir dort ankommen, ziehen wir uns Gummistiefel an und gehen zu einem kleinen Gerät im Mitarbeiter-Raum. Hier müssen wir zu Arbeitsbeginn „einchecken“ und am Ende der Arbeitszeit „aus checken“, sodass unsere Arbeitszeit erfasst werden kann.
Je nach Aufgabe (dazu gleich mehr) gibt es verschiedene Schichten. Die durchschnittliche Arbeitszeit sind aber 7,6 Stunden pro Tag (inklusive bezahlter 5-15 Minuten Pausen) bei 5 Tagen Arbeit pro Woche. Das macht im Durchschnitt ca. 38 Stunden Arbeit pro Woche.
Die Zeiten -und das erfahren wir relativ schnell- weichen aber gut und gerne mal ab. Besonders in der Schicht der Kälberaufzucht (calf rearing) gibt es manche Tage, an denen viel ansteht und man locker 9 Stunden arbeitet. Aber dann gibt es auch andere Tage, an denen nichts Besonderes ansteht und man nach 6,5 Stunden nach Hause geht.
Wer mehr arbeiten will, muss einfach nur im Büro Bescheid sagen gehen, denn auf dieser Farm gibt es immer genug extra Dinge zu tun. 😀
Die ganze erste Woche sind wir nur für die Kälberaufzucht (calf rearing) eingeteilt. Das bedeutet, wir starten um 6 Uhr morgens und füttern ca. 6 Stunden lang all die kleinen Kälbchen der Farm. Denn Kühe geben nur Milch, wenn sie auch Kälbchen bekommen. Dabei werden die Kälbchen keine 24 Stunden bei ihren Müttern gelassen, sondern werden quasi direkt nach der Geburt von ihren Mamis weggenommen. Und das bedeutet wiederum, dass sich dann Menschen um das Füttern und Versorgen der kleinen Tierbabys kümmern müssen.
Wir werden demnächst wahrscheinlich nochmal einen ganzen Beitrag über das Calf rearing schreiben, denn die Arbeit beinhaltet ziemlich viele, verschiedene Dinge (z.B. unterschiedliche Behandlung von männlichen und weiblichen Kälbchen, das Trinken beibringen, Medizin spritzen, künstlich Füttern, Hörner verstümmeln, etc. ) und wird von uns zum großen Teil eigentlich als angenehme Arbeit empfunden, die aber auf moralisch sehr fragwürdigen Prinzipien beruht. Wie gesagt, wir werden dem wahrscheinlich nochmal einen extra Beitrag widmen.
Im Gegenzug zur Calf rearing Schicht steht das Melken. Da die Kühe zweimal am Tag gemolken werden müssen, gibt es eine frühe Melk-Schicht (beginnt nachts um 2.30 Uhr) und eine späte Melk-Schicht (beginnt mittags um 12.30 Uhr). Das Melken aller 1700 Kühe nimmt ca. 6,5 Stunden (+ ca. je eine halbe Stunde Vor- und Nachbereitungszeit) in Anspruch und erfordert 3-4 Angestellte.
Das ganze kann man sich grob so vorstellen wie in diesem Video gezeigt (in dem Video erscheint es idyllischer, sauberer und entspannter, als es wirklich ist. Hoffentlich können wir demnächst nochmal ein eigenes Video machen… ) :
Diese Arbeit ist sehr monoton und wird von uns bisher als absolut nicht angenehm empfunden, aber viele der Angestellten im Betrieb scheinen die Melk-Schichten den Calf rearing Schichten zu bevorzugen. Warum auch immer…
Auch zum Melk-Vorgang werden wir vermutlich nochmal einen extra Beitrag schreiben, denn auch hier lassen sich all unsere Eindrücke nicht in ein paar Sätzen zusammenfassen. Aber wir können schon mal zwei Dinge verraten:
- Alle Aufgaben hier beinhalten sehr viel Kacke. 💩
- Wir beide sind uns einig, dass wir keine Milch / Joghurt mehr kaufen wollen. ❌🥛
Da wir jetzt erstmal noch mindestens zwei Monate hier bleiben werden, erwartet euch in nächster Zeit also noch etwas Kuh-Content von einer großen Dairy Farm in Australien hier auf dem Blog. 🐄
Bis dahin…
viele liebe Grüße von irgendwo aus dem Nirgendwo zwischen 1700 Kühen! ❤️